Berlin, den 17.06.2024 – Jörg Butt und Ralf Mosler sind am 14. Mai 2024 in den Vorstand des BVBS Bundesverband Software und Digitalisierung im Bauwesen e. V. gewählt worden. Beide arbeiten seit über 20 Jahren als Digitalisierungsexperten in Technologieunternehmen der Softwarebranche. Im Interview sprechen sie über aktuelle Herausforderungen der Digitalisierung im Bauwesen sowie Ihre Ziele und Motivation im BVBS-Vorstand.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position im BVBS! Was hat Sie bewogen, sich zur Wahl aufzustellen zu lassen?
Ralf Mosler (RM): Der BVBS hat in den vergangenen Jahren aus meiner Sicht sehr erfolgreich gearbeitet und viel dazu beigetragen, das Thema Digitalisierung im Bauwesen nach vorne zu bringen. Ich kenne den Verband gut, pflege seit vielen Jahren Kontakte zu Mitgliedern und halte den BVBS für ein unverzichtbares Bindeglied der Digitalisierung im Bauwesen. Vor diesem Hintergrund möchte ich mich einbringen, gemeinsam im Vorstandsteam etwas bewegen und das Netzwerk stärken.
Jörg Butt (JB): Der BVBS leistet, wie ich finde, einen wichtigen Betrag für die Zukunft der Baubranche. Besonders schätze ich die Möglichkeit des offenen und kompetenten Austauschs zwischen den Mitgliedsunternehmen und das Schaffen von Qualitätsstandards. Daher engagiere ich mich seit Jahren im Arbeitskreis Datenaustausch. Diese positiven Erfahrungen haben mich dazu motiviert, zusätzlich für den Verband und seine Mitglieder aktiv zu werden und an der Arbeit des Vorstands mitzuwirken.
Welche Ziele möchten Sie mit Ihrem Engagement im BVBS-Vorstand verfolgen? Welche Themen beschäftigen Sie besonders?
RM: Das Bauwesen hat eine lange Tradition, die Digitalisierung ist jedoch noch ganz am Anfang ihrer Reise. Für die Baubranche ist der Einstieg ins Informationszeitalter eine enorme Veränderung. Für mich ist in diesem Umfeld das Change Management ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die digitalen Technologien sind bereits umfangreich verfügbar. Aber wie können wir die Unternehmen und Einrichtungen befähigen, diese auch wirksam einzusetzen? An dieser Stelle möchte ich Know-how einbringen und dazu beitragen, die Grundlagen für die Digitalisierung weiter auszubauen.
JB: Die Interessen der Mitgliedsunternehmen sind für den BVBS von zentraler Bedeutung und verdienen große Aufmerksamkeit. Alle Mitglieder beschäftigen sich intensiv mit der digitalen Transformation und den damit verbundenen Themen. Es ist wichtig, dass wir einander bei bevorstehenden Umstellungsprozessen und aktuellen Fragestellungen unterstützen. Auch hierzu kann ich im Vorstand wertvolle Beiträge leisten und Impulse geben.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell mit Blick auf die Digitalisierung der Baubranche? Wie möchten Sie diesen begegnen?
JB: Die digitale Transformation ist derzeit eine der größten Herausforderungen in unserer Gesellschaft, nicht nur in der Baubranche. Dabei geht es insbesondere um zwei große Bereiche. Zum einen ist dies die technische Umsetzung, beispielsweise die Integration neuer Technologien und der Umgang mit veränderten Prozessen. Dafür müssen neue Regeln, Abläufe und Standards geschaffen werden. Zum anderen ist das die menschliche Komponente und das bereits von Ralf Mosler angesprochene Change Management. Bei den Veränderungen im Zuge der digitalen Transformation benötigen Mitarbeitende Unterstützung und Motivation. Ihre Anregungen und Bedenken sollten ernst genommen und ihr wertvolles Wissen in den Change-Prozess integriert werden. Diese Themen werden viele Mitgliedsunternehmen und deren Kunden auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Der BVBS kann helfen, gemeinschaftlich Lösungen dafür zu finden.
RM: Dem stimme ich voll zu. Die digitale Transformation muss im Unternehmen als Führungsaufgabe begriffen werden. Wir brauchen die Fähigkeit zu Visionen und offene Mindsets anstelle problemorientierten Denkens. Die Digitalisierung bietet Unternehmen auch eine Chance, den Demografiewandel abzufedern. Außerdem sind die regulativen Rahmenbedingungen im Bauwesen ein Anachronismus zur Digitalisierung. Hier müssen wir Prozesse weiterentwickeln, z. B. wie bei der digitalen Baugenehmigung. Es sollte ein „Fast Track“ für die Digitalisierung eingeführt werden. Jedes Unternehmen, das digital arbeitet, sollte unterstützt werden. Zudem muss das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sich Investitionen in die digitale Transformation lohnen. Beispielsweise könnte in der DIN 276 eine Kostengruppe „Digitale Transformation“ ergänzt werden.
Welchen Anteil haben Software und digitale Technologien an der Verbesserung von Prozessen und dem Erreichen von Nachhaltigkeitszielen im Bauwesen?
RM: Software und digitale Technologien haben einen enormen Anteil zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen. Jedoch sind die Anforderungen, die an die Nachhaltigkeit und den Klimaschutz gestellt werden, bisher nur in Teilen auch digital abgebildet. Zum Beispiel werden spezifische Datenbanken benötigt, um energetische Werte und CO2-Verbräuche in Softwarelösungen besser berechnen zu können. Die Bauindustrie wird sich immer mehr am Erreichen der Nachhaltigkeitsziele orientieren. Nur mit den spezifischen Daten und hoch entwickelter Software kann auch wirtschaftlich und nachhaltig geplant und gebaut werden.
JB: Ich bin davon überzeugt, dass Software eine große steuernde Wirkung hat. So kann beispielsweise durch das Erstellen und Hinterlegen von ökobilanziellen Daten erreicht werden, dass die Nachhaltigkeit von Planungen transparenter und messbarer wird. Dadurch wird auch das Bewusstsein für Umwelthemen hervorgehoben. Eine Software kann aber auch Prozesse vorgeben und so das Nutzerverhalten maßgeblich beeinflussen. Das geschieht bereits durch die geschickte Anordnung von Steuerelementen oder Benutzerdialogen. Auch durch den Einsatz neuer Technologien können Softwarehäuser Nachhaltigkeitsthemen noch stärker in den Fokus rücken und positiv beeinflussen.
Welche digitalen Trends und Technologien werden das Planen und Bauen in den nächsten Jahren stark beeinflussen?
JB: Die Themen Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung sind aktuell von großer Bedeutung und werden uns auf verschiedenen Ebenen noch einige Zeit beschäftigen. Neue Computertechnologien wie neuromorphe Hardware werden die Rechenleistung verbessern, so dass neue Möglichkeiten erschlossen und große Datenmengen deutlich besser verarbeitet werden können. Diese neuen Technologien erleichtern sicher viele Arbeitsprozesse. Wichtig ist jedoch, dass der Mensch die Technologien nachhaltig nutzt und kritisch hinterfragt. Auch im Rahmen internationaler Klimaschutzziele und Normen werden wir uns weiterhin mit verschiedenen Fragestellungen auseinandersetzen müssen.
RM: BIM und der digitale Zwilling bilden die Grundlage für die Digitalisierung im Bauwesen. Aber wir stehen am Beginn einer neuen Ära, in der sich Projektteams über die Cloud vernetzen und kollaborieren. Das hat großes Potenzial, weil wir von den alten silobasierten Strukturen auf eine neue datenzentrierte Arbeitsweise umsteigen können. Wenn alle Projektdaten in der Cloud gespeichert werden, eröffnen sich neue Möglichkeiten wie der Einsatz von unterstützender KI. In Zukunft werden wir mit BIM-Modellen in natürlicher Sprache kommunizieren und dadurch zum Beispiel bessere Auswertungen erstellen. Und der Wert von Assets wie Gebäuden und Infrastrukturen wird stärker abhängig sein von ihrer digitalen Qualität. Der große Umbruch wird in den nächsten Jahren stattfinden.
Was schätzen Sie am BVBS? Warum lohnt sich die BVBS-Mitgliedschaft?
JB: Ich nehme seit 2008 regelmäßig an BVBS-Arbeitskreissitzungen teil. Das Netzwerk, der Austausch mit anderen und das gebündelte Wissen der Mitglieder sind eine große Bereicherung. Der BVBS gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird von Einrichtungen und anderen Organisationen als wichtiger Ansprechpartner wahrgenommen und angefragt.
RM: Es ist ein großer Vorteil, mit einem starken Team erfahrener Branchenkenner aus unterschiedlichen Bereichen des Bauwesens zusammenzuarbeiten. Der BVBS möchte das Bewusstsein für die wichtige Funktion der Digitalisierung im Bauwesen schärfen. Jetzt ist eine sehr gute Zeit, um mitzumachen, denn die Digitalisierung geht in die nächste Runde.
Infobox: Über Jörg Butt
Jörg Butt hat Bauingenieurwesen im Fachbereich konstruktiver Ingenieurbau an der Fachhochschule München studiert und ist seit 2004 für die G&W Software AG in München tätig. Im Unternehmen übernahm er die Aufgaben eines Consultants, später im Bereich Key Account Management und ist seit 2020 für das Produktmanagement verantwortlich. Er ist bei G&W Ansprechpartner für Kunden der Ver- und Entsorgungswirtschaft. Im Rahmen von Digitalisierungsprojekten begleitete er zahlreiche Kunden bei der Prozessoptimierung und der Anbindung des Programmsystems California an ERP-Systeme. Seit vielen Jahren ist Jörg Butt im Arbeitskreis Datenaustausch des BVBS aktiv.
Infobox: Über Ralf Mosler
Ralf Mosler ist Digitalisierungs- und BIM-Experte. Seit über 20 Jahren arbeitet er in Managementpositionen führender internationaler Technologieunternehmen. Aktuell ist er als Leader BIM Transformation bei Autodesk mit Sitz in München tätig. Er verantwortet die Autodesk-Forschungsaktivitäten im Center for Construction Robotics der RWTH Aachen und arbeitet an Inkubationsprojekten sowie Early-Technology-Adoption-Programmen. Darüber hinaus ist er aktiv an der Entwicklung von BIM- und offenen Standards in der Bauindustrie beteiligt. Er hat einen Master-Abschluss in Informationstechnologie von der Fakultät für Natur- und Ingenieurwissenschaften der Universität Liverpool.
Bildunterschrift: Jörg Butt
Bilder: © BVBS
Bildunterschrift: Ralf Mosler
Bilder: © BVBS
ÜBER DEN BVBS
Der BVBS Bundesverband Software und Digitalisierung im Bauwesen e.V. bündelt das Expertenwissen von über 120 Mitgliedsunternehmen. Die Mitglieder sind Software- und IT-Unternehmen aus den Bereichen Architektur, Bauingenieurwesen, Fachplanung, Bauausführung, verarbeitendes Gewerbe und Facility Management. Das Hauptziel des Verbandes ist es, die Leistungsfähigkeit, Innovationskraft und Nachhaltigkeit der Bauwirtschaft durch digitale Methoden und Werkzeuge zu stärken.
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