Dübel­be­fes­ti­gun­gen in Beton: Neu­es Modell zur rea­li­täts­na­hen Berech­nung elas­ti­scher Anker­plat­ten setzt sich durch


Freudenstadt/Schwarzwald, März 2023 (PRG) –
Mit dem Bemes­sungs-Tool Anchor Pro­fi des Soft­ware­hau­ses Dr. Li Anchor Pro­fi GmbH kön­nen Sta­ti­ker berech­nen, wel­che Dübel oder Kopf­bol­zen zur Befes­ti­gung ihrer Anbau­ele­men­te auch an üblich nicht-stei­fen Anker­plat­ten hin­rei­chend sicher sind. Bis­lang gilt laut Regel­werk, dass Anker­plat­ten aus­rei­chend steif sein müs­sen, was zu sehr gro­ßen Dicken führt. Bei üblich dün­ne­ren – aber wirt­schaft­li­chen, nicht-stei­fen – Stär­ken wei­chen die für stei­fe Anker­plat­ten ermit­tel­ten Dübel­kräf­te deut­lich von denen für nicht-stei­fe Anker­plat­ten ab. Das Ergeb­nis wird unge­nau und kann zum Ein­satz unter­di­men­sio­nier­ter Dübel füh­ren. Dem Bemes­sungs-Spe­zia­lis­ten Dr. Long­fei Li gelang es nun, die­se Her­aus­for­de­rung mathe­ma­tisch zu lösen und somit even­tu­el­le Scha­dens­ri­si­ken zu mini­mie­ren. Grund genug für den Ver­an­ke­rungs­tech­ni­ker Dr. Jür­gen Stork, Dr. Li ‘s Rechen­mo­dell als zwei­ten gro­ßen Umbruch in der Dübel-Tech­nik zu bezeichnen.

Herr Dr. Stork, Inge­nieu­re müs­sen bele­gen, dass Anbau­ele­men­te, die mit Dübeln oder Kopf­bol­zen durch Anker­plat­ten in Beton befes­tigt wer­den, dau­er­haft und sicher hal­ten. Wie schwie­rig sind sol­che Berechnungen?

Dr. Stork: Es gibt ein Regel­werk, das die zu füh­ren­den Nach­wei­se auf­zeigt. Eine manu­el­le Nach­weis­füh­rung im Ein­zel­fall ist hin­ge­gen zeit­in­ten­siv, daher gibt es den Trend zu Soft­ware-gestütz­ten Lösungen.

Die Trag­fä­hig­kei­ten und Ver­for­mun­gen der Dübel sind in euro­päi­schen Bewer­tun­gen zusam­men­ge­fasst. Eini­ge Trag­fä­hig­keits- oder Ver­for­mungs-Wer­te kön­nen nume­risch ermit­telt wer­den, die meis­ten wer­den durch Ver­su­che ermittelt.

Bei einer manu­el­len oder einer Soft­ware gestütz­ten Lösung wer­den im ers­ten Schritt aus den äuße­ren Belas­tun­gen die Dübel­kräf­te ermit­telt. Im zwei­ten Schritt wer­den mit die­sen Kräf­ten die Nach­wei­se mit den Trag­fä­hig­kei­ten aus der jewei­li­gen Euro­päi­schen Tech­ni­schen Bewer­tung ETA unter Anwen­dung des Regel­werks geführt. Bis­her gelang es nicht, ein auf mecha­ni­schen Grund­sät­zen abge­stimm­tes Bemes­sungs-Kon­zept zu ent­wi­ckeln. Damit erge­ben sich etli­che Vor­schrif­ten mit eini­gen Aus­nah­men. Dadurch wird die Ver­an­ke­rungs­tech­nik auf­wän­dig im Nachweis.

 

Es gibt offen­bar ein Rest-Risko. Inter­na­tio­na­le Nor­men – wie etwa die DIN EN 1992–4 als Teil 4 des Euro­codes 2 – for­dern, dass Anker­plat­ten aus­rei­chend bie­ge­steif sind. Mate­ria­li­en ver­hal­ten sich jedoch im Betrieb unter Ein­wir­kung von Zug­las­ten und Quer­kräf­ten elastisch. 

Dr. Stork: Mit der Wahl einer aus­rei­chen­den Dicke kann die For­de­rung des Regel­werks erfüllt wer­den. Unter­des­sen wird das Regel­werk über­ar­bei­tet, bzw. ergänzt und u.a. wer­den Kri­te­ri­en für den Begriff „aus­rei­chend steif“ erar­bei­tet. Ob das zu dicke­ren Anker­plat­ten führt, wird man im Ein­zel­fall sehen.

 

Auf das Phä­no­men der Elas­ti­zi­tät von Anker­plat­ten hat sich Anchor Pro­fi spe­zia­li­siert. Mit dem Tool lässt sich schnell und exakt die Dübel-Leis­tung bemes­sen. Für Pro­duk­te aller markt­re­le­van­ten Her­stel­ler. Wor­in besteht der Mehrwert?

Dr. Stork: Die Soft­ware ermög­licht Inge­nieu­ren die Nut­zung von üblich dün­nen Anker­plat­ten. Sie inte­griert die nicht mehr ebe­ne Ver­tei­lung der Dübel-Kräf­te in das Rechen­mo­dell. Das Ver­fah­ren liegt außer­halb des Regel­werks. Dass es zu funk­tio­nie­ren scheint, hat mein Kol­le­ge Dr. Li in Ver­öf­fent­li­chun­gen aufgezeigt.

 

Sie haben die­ses Modell als zwei­ten gro­ßen Umbruch in der Dübel-Tech­nik bezeich­net. Warum?

Dr. Stork: Was war der ers­te gro­ße Umbruch? Bis Mit­te der 1980-er Jah­re gab es prak­tisch nur Dübel, die für den unge­ris­se­nen Ver­an­ke­rungs­grund geeig­net waren. Ver­an­ke­run­gen im unge­ris­se­nen Ver­an­ke­rungs­grund (Beton im Zustand I, Anm. d. Red.) besit­zen eine grö­ße­re Trag­fä­hig­keit als sol­che im geris­se­nen Ver­an­ke­rungs­grund (Beton im Zustand II, Anm. d. Red.)). Im Zustand I ist die Trag­fä­hig­keit etwa um 30 Pro­zent höher. Gegen Ende der 80-er Jah­re wur­den Dübel, die für den geris­se­nen Ver­an­ke­rungs­grund geeig­net sind, zum Standard.

 

Was war dar­an so bemerkenswert?

Dr. Stork: Dass man sich auf Sei­ten der Her­stel­ler- und Nor­mungs­gre­mi­en auf geris­se­nen Ver­an­ke­rungs­grund als Stan­dard einig­te und die riss­taug­li­chen Dübel entwickelte.

 

Und die rea­li­täts­na­he Befes­ti­gungs­be­mes­sung elas­ti­scher Anker­plat­ten bringt die nächs­te Zeitenwende?

Dr. Stork: Ja, das ist die zwei­te gro­ße Ände­rung in der Dübel-Tech­nik. Wenn man wirt­schaft­li­che Anker­plat­ten-Dicken haben will, dann kann eine Anker­plat­te nicht mehr aus­rei­chend steif im Sin­ne des Regel­werks sein. Die Fol­ge ist, dass ein Beton­aus­bruch­mo­dell benö­tigt wird, das eine nicht ebe­ne Ver­tei­lung der Dübel­kräf­te berücksichtigt.

Dazu hat Dr. Li in der „Leit­li­nie für die euro­päi­sche tech­ni­sche Zulas­sung für Metall­dü­bel zur Ver­an­ke­rung im Beton“ (DIBt Mit­tei­lun­gen 31.12.1997) ein Detail gefun­den, mit der nicht aus­rei­chend stei­fe Anker­plat­ten bemes­sen wer­den kön­nen. Dar­in besteht sei­ne Leis­tung. Und er ist damit der ers­te, der eine all­ge­mein zugäng­li­che Soft­ware dazu ent­wi­ckelt hat, wofür ihm Ach­tung und Respekt zu zol­len ist.

 

Damit passt aber das bis­he­ri­ge Beton­aus­bruch­mo­dell nicht mehr?

Dr. Stork: Das aktu­el­le Beton­aus­bruch­mo­dell des Regel­werks ver­langt eine linea­re Ver­tei­lung der Dübel-Kräf­te. Fall­wei­se kann das zu unwirt­schaft­lich dicken Anker­plat­ten füh­ren. Wenn die­se nicht gewünscht sind und dün­ne­re Anker­plat­ten gewählt wer­den sol­len, benö­tigt man ein Beton­aus­bruch­mo­dell, das der neu­en Ver­tei­lung der Dübel­kräf­te Rech­nung trägt.

 

Nun kann man mit Anchor Pro­fi üblich dün­ne Anker­plat­ten sicher bemes­sen. Und man kann her­stel­ler­über­grei­fend zügig berech­nen, wel­cher Dübel für eine Ver­an­ke­rung bes­tens geeig­net ist. Was bedeu­tet das für die Anwender?

Dr. Stork: Die Anwen­der erhal­ten eine tech­nisch kor­rek­te Lösung, die zwar nicht regel­werks­kon­form ist, die aber alle wesent­li­chen Kri­te­ri­en erfüllt, um wirt­schaft­lich, sicher und prüf­fä­hig zu sein. Wenn man mit den Anga­ben im Aus­druck der Soft­ware Anchor Pro­fi das Modell selbst nach­rech­net, kommt man auf Dr. Li’ s Ergeb­nis. Das stellt eine Qua­li­tät dar.

Die Soft­ware-Tools ande­rer Her­stel­ler tei­len zum Bei­spiel nicht immer die Feder­stei­fig­keit der Dübel mit. Dann kann das Ergeb­nis nicht mehr nach­ge­rech­net werden.

Hier ist Dr. Li trans­pa­rent. Der Anwen­der kann ent­schei­den, mit wel­chem Dübel-Sys­tem von wel­chem Her­stel­ler er sein Pro­jekt durch­füh­ren möch­te, weil das Opti­mum zwi­schen Trag­fä­hig­keit, Ver­ar­beit­bar­keit, Rand­ab­stän­de, usw. erfüllt ist. Die­se Ver­gleich­bar­keit ist fach­lich und finan­zi­ell ein Riesenvorteil.

Herr Dr. Stork, dan­ke für das Gespräch.

Anker­plat­ten mit Kopf­bol­zen in Fertigung.
Foto: Rai­ner Trillmich

Simu­la­ti­on und Bemes­sung der Anker­plat­te mit Kopfbolzen.
Foto: Dr. Li Anchor Pro­fi GmbH

Über die Dr. Li Anchor Pro­fi GmbH

Die Dr. Li Anchor Pro­fi GmbH (www.anchorprofi.de) bie­tet spe­zi­fi­sche Soft­ware­lö­sun­gen für die Indus­trie der Ver­an­ke­rungs­tech­nik an, wie zum Bei­spiel Bemes­sungs­soft­ware für Dübel, Kopf­bol­zen, Trans­por­tan­ker, Anker­schie­nen und nach­träg­li­che Bewehrungsanschlüsse.

Das Unter­neh­men wur­de 2013 von Dr. Long­fei Li für die Ent­wick­lung und den Ver­trieb der her­stel­ler­un­ab­hän­gi­gen Dübel-Bemes­sungs­soft­ware Anchor Pro­fi gegrün­det und hat sei­nen Fir­men­sitz in Freu­den­stadt (Baden-Würt­tem­berg).

Anchor Pro­fi ermög­licht es Trag­werks­pla­nern und Inge­nieu­ren, Schwer­last­an­ker und Kopf­bol­zen der wich­tigs­ten euro­päi­schen und ame­ri­ka­ni­schen Her­stel­ler unter sta­ti­scher, seis­mi­scher und ermü­dungs­re­le­van­ter Bean­spru­chung unab­hän­gig zu bemes­sen, trans­pa­rent zu ver­glei­chen und neu­tral aus­zu­wäh­len. Zur­zeit wer­den 24 Her­stel­ler mit 265 ETAs/ICC-ESRs unterstützt.

Die Soft­ware Anchor Pro­fi kann Dübel- und Kopf­bol­zen­be­mes­sun­gen mit belie­bi­ger Dübel-Anord­nung und belie­bi­ger Anker­plat­ten­geo­me­trie durch­füh­ren. Mit dem Modell der elas­ti­schen Anker­plat­te und mit der Stei­fig­keits­be­din­gung für star­re Anker­plat­ten kön­nen die Sicher­heits­ri­si­ken, die auf­grund der Annah­me star­rer Anker­plat­te ohne Nach­weis ihrer Stei­fig­keit bei der Anker­be­mes­sung ent­ste­hen, ver­mie­den wer­den. Seit Dezem­ber 2022 ist Anchor Pro­fi in der Ver­si­on 3.4.7 verfügbar.

Dr. Long­fei Li
Foto: Dr. Li Anchor Pro­fi GmbH